Ein venezianischer Spion und ganze 40 Tage Quarantäne: Kurprinz Karl Albrecht von Bayern auf dem Weg nach Venedig • Hotel Elephant

Ein venezianischer Spion und ganze 40 Tage Quarantäne: Kurprinz Karl Albrecht von Bayern auf dem Weg nach Venedig

Wer meint, dass Quarantäne-Bestimmungen und “social distancing” erst zu Corona-Zeiten aktuell wurden, kennt das 18. Jahrhundert nicht. Karl Albrecht – damals ausgerechnet unterwegs ins Veneto – könnte mit uns mitfühlen... Andrea und Jörg Zedler haben sich in ihren Forschungen intensiv mit dem “Giro d’Italia” des bayerischen Kurprinzen beschäftigt. Auf ihren Publikationen beruht der folgende Beitrag von Johanna Bampi.

Anfang Dezember 1715 brach Kurprinz Karl Albrecht von Bayern in München zu einer neunmonatigen Italienreise auf, die ihn bis nach Neapel führen sollte. Den Prinzen und seine repräsentative Reisesuite erwartete der Besuch zahlreicher Städte und Sehenswürdigkeiten. Er wurde zu Bällen und rauschenden Festen, zu Konzerten, Theater- und Opernaufführungen eingeladen. Auf den Karneval von Venedig freute sich der 18-jährige Prinz ganz besonders. Doch nicht Bildung oder gar Vergnügen standen im Vordergrund so einer Reise. Sie war auch mit politischen Zielen verbunden, darunter die Profilierung des Kurfürstentums Bayern und des Hauses Wittelsbach als papsttreue, katholische Macht.

Ein stolpernder Spion und bewusst kalkulierte Konsequenzen

Nach Stationen in Salzburg, Innsbruck, Brixen, Bozen und Trient, traf der Kurprinz nach knapp drei Wochen Reisezeit am 21. Dezember 1715 in Chiusa di Ceraino bei Verona nahe der Grenze zu Venetien ein.
Hier nahm Graf Fortunato Frigimelica, ein Spion der Republik Venedig, die Reisenden aus Bayern in Empfang, um sie nach Verona zu begleiten. Dabei „stolperte“ er und berührte den Mantel eines Bayern – mit bewusst kalkulierten Konsequenzen. Er, der der deutschen Sprache mächtig war, sollte nun als Spion der Venezianer zusammen mit den Bayern deren Quarantänequartier beziehen.

Venedig und seine strengen Quarantäneregelungen vor dem Hintergrund der Pest

Eigentlich hatte der bayerische Kurprinz gehofft, zusammen mit seiner Reisesuite den strengen Quarantäneregelungen Venedigs zu entgehen oder die 40 Tage umfassende Quarantänezeit zumindest maßgeblich kürzen zu dürfen. Hintergrund für diese Regelung war ein erneutes Aufflammen der Pest in einigen Gebieten des Alpenraums. Darauf war im Juni 1715 in Mailand ein Edikt erlassen worden, das für Reisende, unter anderem aus dem Gebiet von Bayern und Österreich, eine vierzigtätige Kontumaz (Quarantänezeit) vorschrieb, um den Gesundheitszustand der Personen zu überprüfen und ein Einschleppen der Pest sowie eine Verbreitung derselben zu verhindern. Schon im Herbst hatte der Münchner Hof auf brieflichem Wege versucht, eine Befreiung für den Kurprinzen zu erwirken – doch vergeblich. Immerhin bezog Karl Albrecht mit seiner fast 80köpfigen Reisebegleitung ein eigenes Gebäude – die heutige Villa Pullè in Chievo, einem Vorort von Verona – und musste, im Unterschied zu anderen Reisenden, die 40 Tage nicht im Lazarett von Verona verbringen.

Wie groß die Angst der Menschen sowohl vor einer Ansteckung als auch vor den Pest-Kommissaren war, zeigte sich darin, dass die einheimische Bevölkerung längs der Reiseroute jeglichen Kontakt mit Reisenden vermied und sogar die Hunde mit Steinewerfen davon abgehalten wurden, die durchziehenden Trosse zu beschnuppern.
So verwundert es nicht, dass zunächst niemand der umstehenden Personen dem Grafen Piosasco, einem Kammerherrn des Kurprinzen, bei der Reparatur seiner Kutsche behilflich war. Kurz vor der Grenze zu Venetien hatte sich ein Rad gelöst. Erst nachdem der Graf allen gedroht hatte, sie zu „berühren“, reparierte ein alter Mann die Kutsche. Diesem wurde die Quarantäne nur dadurch erspart, dass er sich – wie in einem Reisetagebuch vermerkt wird – gründlich mit Gras und Wasser die Hände wusch.

Wie vertreibt sich ein Kurprinz die Quarantänezeit?

Die Tage in der Quarantäne verbrachte Karl Albrecht nach einem geregelten Tagesablauf. Nach dem Besuch der Messe, die im Tafelzimmer gelesen wurde, widmete sich der Kurprinz am Vormittag dem Studium der italienischen Sprache und Diskussionen über historische Begebenheiten. Am Nachmittag erledigte er zunächst die anstehende Korrespondenz, bevor er sich „Freizeitaktivitäten“ widmen konnte. Dazu zählten Spaziergänge und Schlittenfahrten oder der Besuch von Veroneser Adeligen. Außerdem wurde gemeinsam musiziert oder Theater gespielt.

Immer wieder bemühte man sich brieflich um eine Verkürzung der Quarantänezeit, die jedoch nicht gewährt wurde. Karl Albrecht war darüber sehr verstimmt und beklagte sich über fehlenden Respekt von Seiten der Venezianer gegenüber seiner Person und dem bayerischen Kurfürsten. Da es weder in Bayern noch in Tirol zu dieser Zeit Pestfälle gab, schien dem Kurprinzen die Unnachgiebigkeit Venedigs besonders fadenscheinig.

Mit einem Freudenfeuer auf zum Karneval von Venedig

Zum Ende der Quarantäne wurde außerhalb der Gartenmauern der Villa Pullè ein Freudenfeuer mit Raketen abgebrannt. Endlich, am 29. Jänner 1716, setzte der Tross mit Kutschen und ab Padua mit dem Schiff seine Reise nach Venedig fort, wo er nach wenigen Tagen, am 3. Februar ankam. Bis zum Aschermittwoch verblieben dem Kurprinzen noch gut drei Wochen, die Opernaufführungen und Vergnügungen des venezianischen Karnevals zu besuchen. Der Aufenthalt in Venedig wurde sogar verlängert, da die Serenissima den hohen Gast mit einer besonders prunkvollen Regatta überraschte.

Mehr zur Italienreise des Kurprinzen Karl Albrecht

Der vorliegende Beitrag beruht auf den Forschungen und Publikationen von Andrea Zedler und Jörg Zedler.

Andrea Zedler, Reiselust und Reisefrust: Kurprinz Karl Albrechts Aufenthalt in Venetien, in: Prinzenrollen 1715/16. Wittelsbacher in Rom und Regensburg, hrsg. von Andrea Zedler und Jörg Zedler, München 2016 (Herbert Utz Verlag, ISBN 978-3-8316-4567-1)

Andrea Zedler/Jörg Zedler (Hg.), Giro d’Italia. Die Reiseberichte des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht (1715/16). Eine historisch-kritische Edition (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, hrsg. von Klaus Herbers, Bd. 90), Wien, Köln, Weimar 2019 (Böhlau Verlag, ISBN 978-3-412-51361-0)

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